Von der WU zu IBM und wieder zurück

Von der WU zu IBM und wieder zurück

Last Updated on 2021-01-19
Tatjana Oppitz, Vizerektorin der WU und frühere Generaldirektorin von IBM Österreich, über (Frauen)Förderung, Leadership und den Mut zur Veränderung.

Nur Änderungen bringen uns weiter, nicht der Stillstand. Davon ist Mag. Tatjana Oppitz überzeugt und sie lebt es auch vor. Seit Oktober 2019 ist sie an der WU Wien Vizerektorin für Infrastruktur und Digitalisierung. Davor hatte sie ­ nach einer kurzen Phase beim US-Konzern Kodak ­ab 1989 fast 30 Jahre bei „Big Blue“ IBM gearbeitet und hat dabei im In- und Ausland verschiedene Karrierestationen durchlaufen. Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, die gläserne Decke zu durchbrechen und hat es letztlich geschafft. Zwischen 2011 und 2017 war sie Generaldirektorin von IBM in Österreich und damit der erste weibliche Country General Manager in Österreich. Oppitz referierte im Rahmen einer Veranstaltung von IWF Austria – dem Österreich-Ableger des Frauennetzwerkes IWF International -­ über Female Leadership & Frauenförderung und plauderte dabei ebenso hochkompetent wie launig „aus dem Nähkästchen“.

Mehrsprachig aufgewachsen

Vielseitigkeit und Aufgeschlossenheit bekam Oppitz als Diplomatentochter ebenso mit wie Internationalität. „Ich bin 1962 in Kalkutta geboren, mehrsprachig aufgewachsen und habe mit sechs Jahren englisch, deutsch und serbokroatisch gesprochen,“ erzählt sie. Nach der Vienna International School kam sie mit zwölf ins Lycée Francais in Wien. Obwohl sie damals kein Wort französisch sprach, war sie nach nur einem Jahr unter den Klassenbesten. Interkulturelle Kompetenz, davon ist Oppitz fest überzeugt, ist heute noch viel wichtiger als das vor 30 oder 40 Jahren der Fall war.

Nach der Matura studierte sie Handelswissenschaften an der Wiener Wirtschaftsuniversität: „Mein Weg führte mich also von der WU zu IBM & zurück.“ Sie freut sich über die neue Herausforderung, die Digitalisierungsstrategie für die Universität zu erstellen und diese nicht in einem hierarchisch organisierten Konzern, in dem sie sich früher bewegte, sondern in einer wissenschaftlich geprägten Unternehmenskultur zu implementieren, wo es eher basisdemokratisch zugeht und viele Stakeholder zu berücksichtigen sind.

„Bleiben Sie nicht in der Komfortzone!“

Oppitz durchlief bei IBM zahlreiche Karrierestationen und hatte dabei bei fast jeder Beförderung ein Assessment zu absolvieren. Der US-Konzern musste sich in den vergangenen Jahrzehnten laufend neu „erfinden“, war also – wie die gesamte Technologie-Branche ­- ständig in einem Transformationsprozess. „Mein Wille zur Veränderung passte da besonders gut,“ so Oppitz. Sie ist davon überzeugt, dass die grauen Zellen der Menschen Muskeln sind und sehr gut trainiert werden können und sollen. Die Komfortzone sollte man tunlichst meiden, weil man sich dort nicht weiterentwickeln und auch nicht wachsen kann.

Was macht eine gute Führungskraft aus? Für Oppitz sind es Identität (man sollte dazu stehen, wer und was man ist), Visionen („out oft he box“-Denken) und nicht zuletzt Werte. Gute Führung im Sinn von Leadership ist eine ausgewogene Mischung aus 1. hard skills, 2. soft skills und 3. Methodenkompetenz. 1. und 3. könne man lernen, 2. ist schwer zu vermitteln: „Es braucht Potenzial, Toleranz und Einstellung.“

Nach Einschätzung der engagierten Spitzenmanagerin gibt es viele gute Führungskräfte, aber nur wenige gute Leader. Das liege daran, dass man sich Leadership-Fähigkeiten – Offenheit, Mut, Wertschätzung, und Tatendrang – nicht so leicht aneignen kann. Wichtig sei es auch, Change Agent sein zu wollen. Das hat Oppitz selbst vorexerziert, indem sie sich mit dem Wechsel an die WU einer völlig neuen Herausforderung gestellt hat. Andere mitreißen zu wollen und sich für Diversität sowie Frauenförderung einzusetzen seien ebenfalls essentielle Eigenschaften.

Männerbastionen geknackt

Die VUCA-Welt (die Abkürzung steht für volatility, uncertainty, complexity sowie ambiguity also Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit und beschreibt die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen heute geführt werden) war Managern vor Corona vor allem in der Theorie bekannt. Einige wenige machten damit erstmals in der Finanzkrise 2008 Bekanntschaft. „Jetzt erleben wir sie alle im Real-Labor,“ analysiert Oppitz. Nicht zuletzt deshalb sei es wichtig, im Kopf flexibel zu sein und auch zu bleiben. Das ermögliche es, letztlich auch schwierige Phasen leichter zu verkraften.

„Förderung habe ich schon als Kind erlebt, sowohl von den Eltern als auch von den Lehrern,“ erzählt Oppitz. Beide Elternteile waren Akademiker, sie legten viel Wert auf Bildung und motivierten die Tochter, einen Beruf zu erlernen, um selbständig und von niemandem abhängig zu sein. Bei IBM brach sie zwar manche Männerbastion auf, wurde aber von ihren Vorgesetzten stets gefördert: „So hatte ich Gelegenheit, mich ständig weiterzuentwickeln und Neues zu lernen.“ Gerade bei einem Technologiekonzern sei es enorm wichtig, sein Wissen ständig zu erweitern und auf dem aktuellen Stand zu halten. Dazu gehörten auch Kenntnisse über künstliche Intelligenz oder Blockchain. Auch als CEO agierte Oppitz nicht abgehoben, sondern hatte stets Kundenkontakt. „Kontakte schließen und pflegen war mir immer wichtig,“ betont sie.

Was sie ihren Mentees rät

Herzensanliegen waren und sind Oppitz Mentoring und Coaching von Frauen und das stark, aber nicht ausschließlich auf die MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)-Fächer bezogen. „Es ist schön, eigene Erfahrungen weiter zu geben und Menschen bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen,“ betont sie. Schon bei IBM war es ihr wichtig, Mädchen für Technik zu begeistern, flexible Arbeitszeiten auch für Mitarbeiterinnen in Führungspositionen zu ermöglichen und generell der Genderthematik den nötigen Stellenwert zu verschaffen.

Frauen in Führungspositionen haben nach Meinung der WU-Vizerektorin eine Vorbildwirkung und sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein. An der Wirtschaftsuniversität gehört sie zu den Wise Women der WU, einem Mentoringprogramm, das ambitionierte WU-Alumnae in einem frühen Karrierestadium unterstützt. „Meinen Mentees sage ich immer, sie dürfen nicht vergessen, sich auf ihrem Karriereweg umzudrehen und auch die Nachfolgenden mitzunehmen.“

Bereits seit dem Jahr 2013 engagiert sich Oppitz bei der gemeinnützigen Bildungsinitiative „Teach For Austria“ und hält regelmäßig interaktive Unterrichtsstunden an sozial hoch belasteten Neuen Mittelschulen und Polytechnischen Schulen im Rahmen der Teach For Austria-Wochen.

„Mein Anliegen ist es, Kinder aus bildungsfernen Schichten durch Bildung Chancen auf ein besseres Leben zu geben.“


www.wu.ac.at