Warum Mode auch im Alter wichtig ist

Warum Mode auch im Alter wichtig ist

Last Updated on 2022-05-22
Dr. Christine Domforth

Mode abseits von schnelllebigen Trends: Das war am 20. Mai 2022 Thema für einen Vintage Salon im kwartier15 in der Reindorfgasse in Wien-Fünfhaus. Dr. Elizabeth Baum-Breuer präsentierte dabei ihr Buch „Mein Kleiderkasten – weibliche Lebensfreude bis ins hohe Alter“, das 25 spannende Interviews mit Frauen zwischen 63 und 103 enthält. Mode bleibt demnach auch im fortgeschrittenen Alter ein wichtiges Thema. Ganz besonders am Herzen liegt der älteren Generation bei ihrer Kleidung die Nachhaltigkeit.  

35 Damen aus unterschiedlichen Netzwerken konnte INARA-Geschäftsführerin Dr. Brigitta Schwarzer zum Vintage Salon in den Räumen ihres kwartier15 begrüßen. Die Idee zu der Veranstaltung hatte Schwarzer aufgrund des Vorschlags von Roswitha Schaffer von der Plattform weiteraktivmitroswitha (früher i trau mi), ein Damenevent rund um Mode zu organisieren.

Dr. Elizabeth Baum-Breuer war vor ihrem Studium der Bildungswissenschaften als Sozialarbeiterin tätig und beschäftigt sich jetzt intensiv mit Biographiearbeit. Ihr Buch „Mein Kleiderkasten. Weibliche Lebensfreude bis ins hohe Alter – ein Bilderbuch und Leitfaden für Biographiearbeit“, dessen Vorwort Barbara Rett verfasste, beruht auf einer Studie für die Universität Wien, für die bei insgesamt 25 Frauen zwischen 63 und 103 ihre Einstellung zur Mode erfragt wurde. „Die Damen stammten aus den verschiedensten Berufen und Gesellschaftsschichten, sie lebten teilweise zu Hause, andere in Pflege- oder Betreuungseinrichtungen oder hatten eine 24-Stunden-Hilfe. Die Gespräche mit ihnen waren für mich eine sehr spannende Entdeckungsreise,“ betonte Baum-Breuer.

Farben sind wichtig

Quintessenz der Interviews: Das Interesse an Mode und Kleidung nimmt auch im höheren Alter nicht ab. Die 103-jährige freute sich beispielsweise sehr, als sie bei einer Geschäftsauflösung ein paar Schnäppchen ergattern konnte. Kleidung ist wichtig für das Selbstbewusstsein, sie spiegelt die Seele wider und zeigt die Einstellung zum Leben, ging aus der Befragung der Seniorinnen hervor. Ganz wichtig sind den älteren Damen, die sich für ihr Interview durchwegs perfekt gestylt hatten, Farben. „Hundertjährige hassen schwarz, auch fades beige kommt bei den reiferen Damen nicht gut an,“ berichtet Baum-Breuer.

Nachhaltigkeit ist nicht nur bei der Jugend, sondern auch bei der älteren Generation ein Thema: „Die meisten der interviewten Damen achten auf Qualität und zwar nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus emotionalen Gründen.“ Wo ein Kleidungsstück hergestellt wurde und ob es dort faire Produktionsbedingen gibt, sei vielen wichtig, so Baum-Breuer. Upcycling und Recycling sind zwar moderne Begriffe, die Älteren sind aber damit aufgewachsen, dass Dinge nicht schnell entsorgt, sondern Kleidungsstücke repariert oder umgearbeitet wurden. Das wirkt bis heute nach. Einkaufen von Vintage-Mode oder am Flohmarkt sowie Kleidertausch findet daher auch bei den Silver Agern Anklang.

Kleidungsstücke können Emotionen wecken

Kleidungsstücke können Zugang zu Erinnerungen, Gefühlen oder Gedanken ermöglichen und so bei der Biographiearbeit eine wesentliche Hilfe sein. Über die Mode-Schiene kann oft sogar mit Demenzkranken wieder eine Kommunikation begonnen werden, erklärte Baum-Breuer. Viele der für das Buch Befragten bewahren einzelne Kleidungsstücke ihrer Mütter oder Großmütter auf, andererseits werden auch Teile an die nächste oder übernächste Generation weitergegeben und von dieser oft mit Begeisterung getragen.

Eine von Baum-Breuer zusammengestellte Ausstellung zum Thema „Mein Kleiderkasten“ wurde vor kurzem im Museum für Zeitgeschichte in Bad Erlach (Niederösterreich) gezeigt, die erste Buchpräsentation fand sodann im Geymüllerschlössel in Wien-Pötzleinsdorf (einer Außenstelle des MAK) statt. Sie soll dann in die Räume des Trachtenunternehmens Tostmann in Wien I übersiedeln, später nach Grundlsee und Bad Ischl. Eine Studie mit jüngeren Frauen zum Thema Mode ist geplant, ob sie auch die Männer diesbezüglich unter die Lupe nehmen wird, lässt Baum-Breuer offen.

Zeitlose Trachtenmode

„Für uns ist Nachhaltigkeit eine Selbstverständlichkeit. Das haben mir schon meine Eltern mitgegeben,“ betonte Gexi Tostmann. Die Ex-Chefin eines in Wien und Seewalchen angesiedelten Trachtenunternehmens (das mittlerweile ihre Tochter leitet) sowie Grande Dame der österreichischen Trachtenszene, war ebenfalls unter den Gästen des Vintage Salons. „Wir produzieren ausschließlich in Österreich und legen Wert auf österreichische Materialien. Und unsere Mode ist absolut zeitlos,“ so Tostmann. Weil ein echtes Dirndl seinen Preis hat, kann man bei Tostmann auch mieten. Vor allem von jungen Mädchen, die einen Ball oder eine Hochzeit besuchen, wird dieses Service ebenso wie der im Hause Tostmann regelmäßig abgehaltene Flohmarkt gerne angenommen. Zornig wird die Unternehmerin, wenn manche Leute die Tracht ins „rechte Eck“ stellen.

Upcycling liegt voll im Trend

Mit der Designerin und Upcycling-Expertin Barbara Nemet diskutierte Schwarzer dann über die Verwendungsmöglichkeiten alter Corona-Stoffmasken. Solche waren nach dem Ausbruch der Pandemie in zahlreichen Farben, Mustern und Stoffqualitäten genäht worden, mussten aber später den FFP2-Masken weichen. Patchwork-Arbeiten, Schürzen, Kinder-Kleider oder auch Gürtel – all das kann man laut Nemet aus den abgelegten Masken herstellen. In ihrem Atelier in Wien-Josefstadt können Interessierte das Nähen und den Umgang mit der Nähmaschine erlernen. Unnötig gewordene Stoffmasken können dort abgegeben werden und bekommen durch Upcycling ein „neues Leben“ eingehaucht.

Darüber und über Nachhaltigkeit in der Mode diskutierte die gut gelaunte Damenrunde bei Häppchen und Frizzante noch angeregt weiter.
@ privat