Warum Scheitern wichtig ist

Warum Scheitern wichtig ist

Last Updated on 2022-05-22
Dr. Christine Domforth

Dejan Stojanovic brachte die Fuckup Nights nach Österreich. Bei diesen Events sprechen Unternehmer, Gründer und Manager über ihre Misserfolge, damit die Zuhörer daraus lernen können. In den USA werden Fehler toleriert bzw. als Chance gesehen, in Österreich ist das anders. Doch es braucht auch hierzulande eine positive Fehlerkultur, meint der Failure Enthusiast Stojanovic, der vor Jahren mit einem Startup selbst einen Flop hinlegte.

„Fehler sind Teil des Erfolgs und definitiv nicht das Ende!“ Davon ist Mag. Dejan Stojanovic überzeugt und deshalb organsiert er seit Jahren in Österreich die Fuckup Nights. Das deftige Wort fuckup ist mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen und bedeutet Mist bauen, etwas vermasseln. Pro Veranstaltung stehen bei den Fuckup Nights drei bis vier Speaker auf der Bühne und erzählen dem meist aus jungen Erwachsenen bestehenden Publikum, warum ihr Projekt, ihr Unternehmen, ihr Startup etc. gescheitert ist. Die Misserfolge werden also hinterfragt und Lerneffekte daraus abgeleitet, statt Schadenfreude herrscht ein respektvoller Umgang.

Es begann in Mexiko City …

Die Fuckup Nights haben ihren Ursprung in Mexiko City. Dort hatten vor Jahren fünf Freunde beschlossen, miteinander und später auch mit anderen Leuten nicht über echte oder angebliche Erfolge zu reden, sondern über die Fehler, die gemacht wurden. Aus diesen könne man ja viel lernen und es künftig besser mache, so die Idee, die sich international rasch verbreitete. Mittlerweile finden die Shows in rund 300 Städten weltweit statt.

Stojanovic brachte die Fuckup Nights im Jahr 2014 nach Österreich. Zum ersten Event in einem Café in Wien kamen statt der erwarteten 20 bereits mehr als 60 Interessierte. Mittlerweile finden die Events, die durch Sponsoren finanziert werden, in ganz Österreich statt. Zuletzt hatten sich für eine Veranstaltung mehr als 700 Teilnehmer registriert. Die Termine – in Wien geht der nächste am 30. Mai 2022 in der Ottakringer Brauerei über die Bühne – sind jedes Mal rasch ausgebucht.

Auch prominente Namen dabei

Unter den Speakern bei den Fuckup Nights – ein Journalist nannte sie einmal scherzhaft „Party der Gescheiterten“ – befanden sich UnternehmerInnen aus unterschiedlichen Branchen, auch einige Startup-Gründer waren darunter. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind beispielsweise der ehemaligen DiTech Boss Damian Izdebski, der nach der Insolvenz seines IT-Unternehmens und einer Auszeit in den USA mit der Firma Techbold neu durchstartete, sowie die Co-Geschäftsführerin des ÖBB-Fernbus-Unternehmens „Hellö“. Das Projekt floppte trotz Millioneninvestitionen nach kurzer Zeit, schließlich wurde an den deutschen Mitbewerber Flixbus verkauft. Bei einer Cities Fuckup Night in Wien referierte die frühere grüne Vizebürgermeister Maria Vassilakou über die Pleiten-, Pech- und Pannenserie rund um den umstrittenen Umbau der Wiener Mariahilfer Straße.

Stojanovic selbst studierte Jus, arbeitete zunächst in einem Konzern und steuerte dann eine traditionelle Anwaltskarriere an. Es zog ihn aber schließlich doch in die Selbständigkeit und er begann zusammen mit Freunden ein Startup im Automotive-Bereich. „Wir wollten die Branche revolutionieren, aber es hat nicht funktioniert. Wir hatten Angst zu scheitern und machten deshalb einiges falsch,“, erzählt der begeisterte Unternehmer, der zwischendurch auch einige Zeit im Silicon Valley verbracht hat. Er stieß auf die Idee der Fuckup Nights und erkannte, dass es hierzulande so gut wie keine Fehlerkultur gibt: „In den USA sieht man Scheitern auch als Chance. Wichtig ist, was man aus einem Flop gelernt hat. In Österreich herrscht eher eine blame-culture. Wer einmal ein Projekt in den Sand gesetzt hat, dem traut man nichts mehr zu.“ Dabei könne Innovation nur funktionieren, wenn man auch die eine oder andere „Bruchlandung“ in Kauf nimmt. Gerade als Unternehmer lerne man aus jedem Fehler. Weil niemand alles weiß oder alles kann, sollte man sich unbedingt Feedback holen und auch auf die Expertise anderer setzen. Wichtig sei es vor allem, nach einem Flop nicht aufzugeben, sondern einen zweiten oder dritten Versuch zu wagen, so Stojanovic.

Durch Flop motiviert

Nachdem sein Startup zunächst gefloppt und die Enttäuschung groß war, nahm sich der junge Gründer eine Auszeit und trampte mit Rucksack durch Asien. Selbst einmal gescheitert zu sein, motivierte ihn aber, sich noch stärker auf das Konzept der Fuckup Nights zu konzentrieren. Mittlerweile läuft auch das seinerzeit in Troubles geratene Automotive-Startup Crowd-o-moto gut.

Mr. Fuckup will Stojanovic nicht unbedingt genannt werden. Lieber bezeichnet er sich als Failure Enthusiast. „Wir wollen das Scheitern politisch, gesellschaftlich und persönlich enttabuisieren und stehen für eine Denkweise, die Fehler zulässt und gerade dadurch zum Erfolg führt“, betont der Experte für Fehlermanagement, Coach und Autor. Er stellt in Österreich auch einen gewissen Wandel fest. Scheitern sei natürlich noch immer ein Tabuthema, doch seit einigen Jahren werde in den Medien öfter darüber und über die Notwendigkeit einer positiven Fehlerkultur berichtet.

Unternehmen denken um

Neben den Fuckup Nights und diversen Online-Formaten, die vor allem in der Corona-Zeit wichtig waren, und Workshops veranstaltet Stojanovic auch Corporate Events für große Unternehmen. Einige davon sind firmenübergreifend, auch eigene Veranstaltungen für Frauen gibt es. Unter den Partnern und Kunden finden sich prominente Namen wie ÖBB, WKO, Wien Energie, Raiffeisenbank International, Red Bull, A1, Umdasch, die Anwaltskanzlei Schönherr sowie das Beratungsunternehmen PwC. „Viele Manager haben mittlerweile erkannt, dass sie im Unternehmen eine positive Fehlerkultur brauchen,“ betont Stojanovic. Mitarbeiter sollten wissen, dass sie Fehler machen dürfen, diese aber nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen, sondern daraus gelernt werden muss. Ohne Fehler gibt es keinen Fortschritt und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es wichtig, guten Mitarbeitern den nötigen Freiraum für Experimente zu geben, betont Stojanovic.

Ab 2020 entdeckte auch das Fernsehen das Thema Scheitern: Der Sender Puls4 startete eine Fuckup-Show. Die mehrteilige Serie wurde von NEOS-Gründer Matthias Strolz moderiert.

Fuckup Nights Vienna – Fehler sind Teil des Erfolges und nicht das Ende.