Was künftigen Pensionisten blüht

Was künftigen Pensionisten blüht

Last Updated on 2019-07-15
Jeannine Hierländer, “Die Presse”, 14.07.2019

Die OECD hat die Renten von Altpensionisten mit den Pensionen verglichen, die sich die Jungen erwarten dürfen. Österreicher sind besonders lang im Ruhestand. Wer jetzt zu arbeiten beginnt, wird – ohne Reformen – mehr Zeit im Ruhestand verbringen als heutige Pensionisten.

Das Thema Pensionen lässt niemanden kalt – schließlich ist jeder ein zukünftiger Pensionist. Und es lässt die Wogen hochgehen: Das österreichische Pensionssystem sei teuer und auf Dauer nicht finanzierbar, sagen die einen. Die Pensionen seien sicher, sagen die anderen – vor allem Politiker. Nun hat die Industrieländerorganisation OECD die Pensionssysteme ihrer Mitgliedsländer unter die Lupe genommen. Sie hat die Bezüge der Altpensionisten mit jenen Beträgen verglichen, die sich die Jungen, die gerade erst zu arbeiten beginnen, am Ende ihres Erwerbslebens erwarten dürfen. Und sie hat ein paar interessante Ergebnisse zutage gefördert. Erstens: Wer heute 23 Jahre alt ist und sein Leben lang durchschnittlich verdient, bekommt, gemessen an seinem Einkommen, etwa gleich viel Pension wie jemand, der 1940 geboren wurde. Deutsche haben einen Abschlag von 17 Prozent, Schweizer 30 Prozent zu erwarten. Im Durchschnitt der Industrieländer sind es zehn Prozent.

Zweitens: Österreicher verbringen einen besonders großen Teil ihres Erwachsenenlebens im Ruhestand. Bei den 1940 Geborenen sind es 32 Prozent, bei den 1996 Geborenen werden es – ohne Reformen – 36 Prozent sein. In Deutschland und Österreich ist der Anteil der Pensionsjahre im Untersuchungszeitraum im OECD-Vergleich überdurchschnittlich stark gewachsen, so die Ökonomen. Drittens: Für Menschen mit vollen Erwerbskarrieren hat die große Pensionsreform der Nullerjahre kaum Einschnitte gebracht.

Die Pensionsreform unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seiner schwarz-blauen Regierung sorgte 2003 für Großdemos und Streiks. Eckpunkte: deutliche Einschränkung der Frühpensionen, schrittweise Abschaffung der Beamtenpensionen und Angleichung an die Angestellten. Vor allem aber wurden das Pensionskonto und die lebenslange Durchrechnung eingeführt: Erhielt man seine Pension einst auf Basis der 15 besten Einkommensjahre, wird nun seit der großen Pensionsreform schrittweise das ganze Erwerbsleben herangezogen. Durchaus deutliche Einschnitte also.

Aber, wie OECD-Pensionsexperte Christian Geppert sagt: „Für Menschen mit langen, stabilen Karrieren garantiert das österreichische Rentensystem vergleichsweise hohe Ersatzraten und hält sie über die Generationen hinweg aufrecht.“ Die Ersatzrate misst den Anteil der Pension am letzten Erwerbseinkommen. Geppert hat die Pensionssysteme der 37 OECD-Mitgliedsländer verglichen. Und kommt zu dem Schluss: „Österreich ist definitiv ein Ausnahmefall.“ Die Ökonomen haben sich die Pensionen von drei Generationen angesehen: die der Altpensionisten, die 1940 geboren wurden. Und die zu erwartende Pension jener, die 1956 und 1996 auf die Welt gekommen sind.

Einschnitte für Geringverdiener. Ihr Fazit: Nur vier Länder haben über drei Generationen die Bruttoersatzraten konstant gehalten. Die große Mehrheit der OECD-Länder hat die Pensionshöhe gemessen am Letzteinkommen im Lauf der Jahrzehnte abgesenkt. In elf Ländern ist sie gestiegen – aber oft von einem niedrigen Niveau aus.

Um die unterschiedlichen Pensionssysteme vergleichbar zu machen, haben die Ökonomen einen hypothetischen Vorzeigefall als Basis genommen: einen Mann, der mit 20 Jahren zu arbeiten beginnt und nach 45 Versicherungsjahren, in denen er jeweils den im Land üblichen Durchschnittslohn verdient, in Pension geht. Geringverdiener, Langzeit-Teilzeitbeschäftigte, Frauen mit langen Kinderbetreuungszeiten, (krankheitsbedingte) Frühpensionisten: Für sie alle gilt das nicht. „Menschen mit kürzeren Karrieren oder starken Einkommensschwankungen während des Arbeitslebens erfahren durchaus stärkere Einschnitte in ihrer Pensionshöhe“, sagt Geppert.

Ab 2024 wird das gesetzliche Pensionsalter der Frauen von derzeit 60 Jahren schrittweise an das der Männer angeglichen. Abgesehen davon ist in Österreich keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters geplant. Anders im OECD-Schnitt, wo im Durchschnitt ein Anstieg um 1,6 Jahre geplant ist. Um den Anteil der Lebenszeit, die die Menschen im Ruhestand verbringen, konstant zu halten, müsste das gesetzliche Pensionsantrittsalter über die nächsten 40 Jahre auf 68 Jahre steigen. Deutschland hat einen „Nachhaltigkeitsfaktor“ eingeführt: Steigt das Verhältnis der Rentner zu den Beitragszahlern, sinkt die Höhe der Pensionen automatisch. Gibt es keinerlei solche Anpassungen, „steigt der Druck auf das System. Österreich muss schauen, wie es das dauerhaft finanziert“, sagt Geppert.

Soziale Schieflage. Geppert empfiehlt, stellvertretend für die OECD, das Rentenalter „in irgendeiner Form an die Lebenserwartung zu koppeln“. Dänemark, Finnland, Italien, die Niederlande, Portugal und die Slowakei haben so einen Automatismus eingeführt. Liberale Stimmen wie die Neos und die Denkfabrik Agenda Austria fordern das auch für Österreich. Es gibt aber auch Argumente dagegen, wie Christine Mayrhuber vom Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut sagt. Sie sieht eine soziale Schieflage: Gut ausgebildete Menschen mit hohen Einkommen und vielen Versicherungsjahren hätten eine höhere Lebenserwartung als bildungsferne Menschen. Diese hätten die gleichen Abschläge, würden aber früher sterben und von der höheren Lebenserwartung weniger profitieren. „Das wären ganz massive verteilungspolitische Folgen.“

In Zahlen

Mit 61,3 Jahren sind Männer in Österreich 2018 durchschnittlich in Pension gegangen. Frauen verabschiedeten sich mit durchschnittlich 59,3 Jahren in den Ruhestand.

9,2 Milliarden Euro betrug der Bundeszuschuss zu den Pensionen im Jahr 2018. Der Bundesbeitrag finanziert jene Pensionsausgaben, die Bauern, Unternehmer und Arbeitnehmer nicht durch die laufenden Pensionsbeiträge finanzieren können.

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