14 Apr „Wenn die Schuhe eine Nummer zu groß sind“
Last Updated on 2021-04-16
Brigitta Schwarzer
Die ÖBAG hat in den vergangenen Wochen viel Staub aufgewirbelt und Lärm produziert. Gut für die Wirtschaft, dass sich die Auswirkungen in Grenzen halten. Pech hat nur der Steuerzahler.
Wie der Name schon sagt, hat ein Aufsichtsrat Aufsicht zu üben und Rat zu geben. So sehen es Gesetz und Governance Kodex vor. Der Aufsichtsrat ist also jenes Organ, das „den Vorstand bei der Leitung des Unternehmens unterstützt, insbesondere bei Entscheidungen von grundlegender Bedeutung“. Dass das auf Augenhöhe mit dem Vorstand zu geschehen hat, versteht sich. Der vor Jahren dafür geprägte Begriff vom Aufsichtsrat als „Sparringpartner“ des Vorstands trifft heute mehr denn je zu.
So weit, so gut. Veranschaulichen wir uns das bitte anhand der international aufgestellten ATX-Unternehmen Verbund AG und OMV AG, an welchen die Republik Österreich 51 Prozent bzw. 31,5 Prozent der Aktien hält. Während die Verbundgesellschaft von drei Vorständen und zehn KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat geführt wird, stehen bei der OMV fünf VorständInnen und zehn KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat an der Spitze des Unternehmens. Eine Ladung geballter und diverser Kompetenz, die immer wieder ergänzt und erneuert wird und sich in guten, aber auch schwierigen Zeiten zu bewähren hat. Wenn bisweilen einzelne OrganvertreterInnen die erforderlichen Anforderungen an Kompetenz und Erfahrung nicht zur Gänze erfüllt haben – ein Schelm wer denkt, das könnte da und dort an politischer Postenbesetzung liegen – so hat sich das in der Praxis kaum merklich ausgewirkt. Und sind wir ehrlich: Gute Kapitäne haben so viele Gefolgsleute um sich, dass das Werkl auch ohne sie rennt. Warum sollte es also in Gesellschaften mit staatlicher Beteiligung anders zugehen als in vielen Familienunternehmen, wo der Begriff „Können“ bisweilen auch sehr dehnbar ist?
Kommen wir nun zur ÖBAG: Alleinvorstand Thomas Schmid ist ein vielbeschäftigter Mann, er hat Tag für Tag alle Hände voll zu tun. Alle Achtung, wenn er daneben Zeit für umfangreiche geschäftliche und private Chatnachrichten findet. Schmid ist Aufsichtsratsvorsitzender der Verbundgesellschaft und Aufsichtsratsvize der OMV, was allein schon fast ein Fulltime-Job wäre. Dazu kommen die Aufsichtsratsvorsitze bei der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und deren ARE Tochter Austrian Real Estate sowie einfache Aufsichtsratsmandate bei der Telekom Austria und den Lotterien. Der Mann scheint von robuster Natur zu sein, ein gutes Zeitmanagement zu haben und nur wenig Schlaf zu benötigen. Wer fragt da nach einem Wirtschafts-Background mit einschlägiger, auch internationaler Erfahrung? Studien der Rechts- und Politikwissenschaften plus mehrjährige (Spitzen)Funktionen in diversen Ministerien kompensieren doch allemal etwaige Managementdefizite oder fehlende Praxis in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen.
Wie gut auch, dass man auf Vorstandsebene alleine entscheiden kann, also als One-Man-Show agiert. Das Vieraugenprinzip würde ja nur Zeit kosten und womöglich Ärger bringen. Ein Aufsichtsrat muss bei einer Aktiengesellschaft leider sein. Dafür macht ein AG-Vorstand allemal mehr her als ein einfacher Geschäftsführer, sei es auch ein Alleingeschäftsführer. Und auch bei der Gage gibt es mehr Spielraum.
Die sechs KapitalvertreterInnen im ÖBAG-Aufsichtsrat sind allesamt honorige Personen, deren fachliche und persönliche Qualifikation laut ÖBAG-Gesetz den Bestimmungen des Aktiengesetzes und höchster Corporate Governance Standards entspricht. Steuerbarkeit? Fehlanzeige.
Da ist ein Blick ins Stellenbesetzungsgesetz, das auch für die ÖBAG relevant ist, schon ergiebiger. Besagt doch dessen § 4 Abs 2, dass „, wenn internationale Erfahrungen für die betreffende Stelle erforderlich sind, darauf besonders Bedacht zu nehmen ist“. Spätestens da drängt sich wohl manch einem die Assoziation zur supernackten Frage auf „Wo is (war) mei Leistung?“…
Dieser Kommentar ist auch im Börsen-Kurier Nr. 15 vom 15.04.2021 erschienen: www.boersen-kurier.at