20 Oct „Wir sind Nobelpreis“
Last Updated on 2022-10-20
Dr. Christine Domforth
Der Nobelpreis für den Österreicher Anton Zeilinger zeigt, dass man auf seine Intuition vertrauen muss, der Erfolg aber oft lange auf sich warten lässt. Zu hoffen ist, dass die Forschung in Österreich durch die Ehrung für den Quantenphysiker Auftrieb bekommt. Und künftig werden hoffentlich auch mehr Frauen diese begehrte Auszeichnung bekommen.
Mit Anton Zeilinger erhält erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Österreicher den Nobelpreis, die höchste Auszeichnung, die es in der Welt der Wissenschaft gibt. Der Quantenphysiker erhält den Preis in der Sparte Physik gemeinsam mit dem Franzosen Alain Aspect und dem US-Amerikaner John Clauser.
Die Nobelpreise wurden vom schwedischen Erfinder und Industriellen Alfred Nobel gestiftet und werden seit 1901 verliehen. Ausgezeichnet werden sollen nach dem Wunsch von Nobel „jene, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Dienst geleistet haben´“. Der Preis wird in fünf Kategorien vergeben: Chemie, Physik, Medizin, Literatur und Frieden. Für die beiden letztgenannten Kategorien hatte sich vor allem die mit Nobel befreundete Bertha von Suttner stark gemacht. Kein „echter“ Nobelpreis ist die Auszeichnung in der Sparte Wirtschaftswissenschaft, dieser wurde erst 1968 von der schwedischen Reichsbank gestiftet.
Verliehen werden die Auszeichnungen jeweils am 10. Dezember, dem Geburtstag Nobels. Während der Friedensnobelpreis in Oslo überreicht wird, finden die Zeremonien für die anderen Kategorien in der schwedischen Hauptstadt Stockholm statt. Das von Nobel gestiftete Kapital, aus dem die Preise dotiert werden, ist in Aktien, Anleihen, Immobilien und Hedgefonds angelegt. Von den Turbulenzen der internationalen Finanzmärkte blieb es nicht verschont, daher schwankte über die Jahre hinweg die Höhe des Preisgeldes. Heuer bekommen die Geehrten neben einer Urkunde und einer Goldmedaille jeweils umgerechnet 920.000 Euro.
Nur wenige Frauen ausgezeichnet
Die Riege der mehr als 900 Nobelpreisträger besteht vorwiegend aus alten weißen Männern. Jüngere sind kaum vertreten, Schwarze, Asiaten und Latinos nur spärlich. Die meisten Preisträger kamen bisher aus den USA. Nur 5,7 Prozent der Ausgezeichneten waren weiblich. Immerhin hat mit Marie Curie eine Frau den Preis gleich zweimal bekommen: für Chemie und zusammen mit ihrem Ehemann für Physik. Bei der Literatur und beim Friedensnobelpreis war der Frauenanteil jeweils am höchsten. Die jüngste Preisträgerin war die damals 17-jährige Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Preise nicht vergeben. Jean Paul Sartre nahm den Literaturnobelpreis nicht an, weil er Auszeichnungen generell ablehnte. Der russische Dichter Boris Pasternak musste ihn auf Druck der Regierung in Moskau ablehnen, sein Landsmann Andrej Sacharow durfte den Friedensnobelpreis nicht persönlich entgegennehmen. Und der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo saß zum Zeitpunkt der Preisverleihung im Gefängnis, bei der Zeremonie blieb sein Sessel leer.
Die Preisträger aus Österreich
Wie viele Österreicher bisher von der Königlich Schwedischen Akademie bzw. dem norwegischen Pendant ausgezeichnet wurden, ist gar nicht so einfach zu klären. Zählt man nur jene Preisträger, die innerhalb der Grenzen des heutigen Österreich geboren sind, ist der Physiker Zeilinger der 19. Einige von ihnen haben Österreich allerdings verlassen und teilweise auch eine andere Staatsbürgerschaft angenommen. Dazu zählen etwa Martin Karplus und Eric Kandel, die bereits im Kindesalter vor der NS-Herrschaft flohen. Insgesamt 32 Nobelpreisträger kamen im Kaiserreich Österreich-Ungarn zur Welt.
Die meisten österreichischen Nobelpreisträger mit Geburtsort im heutigen Österreich finden sich in der Sparte Chemie: Richard Kuhn, Max. F. Perutz, Walter Kohn, Richard Zsigmondy und Martin Karplus. Ausgezeichnet wurden weiters die Physiker Erwin Schrödinger, Viktor F. Hess und Wolfgang Pauli und heuer Zeilinger. In der Medizin erhielten Robert Barany, Julius Wagner-Jauregg, Karl Landsteiner, Karl von Frisch, Konrad Lorenz und Eric Kandel den begehrten Preis. Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner stammte aus Prag, der in Wien geborene Alfred Fried erhielt ebenfalls den Friedensnobelpreis. Österreichische Preisträger in der Sparte Literatur waren Elfriede Jelinek und Peter Handke. Und mit Friedrich August von Hayek erhielt auch ein Österreicher den Wirtschafts-Nobelpreis.
Die Dichterin Elfriede Jelinek ist bisher die einzige Österreicherin, die einen Nobelpreis bekam. In der Donaumonarchie geboren wurde wie erwähnt Bertha von Suttner sowie Gerty Cori, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Carl Cori den Medizin-Nobelpreis erhielt.
Ergebnis harter Arbeit
Nobelpreisträger stehen für herausragende wissenschaftliche Leistungen. Sie fungieren als Vorbild und sind eine starke Motivation für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Man kann also viel von ihnen lernen. Gerade in der Wissenschaft kommt der Erfolg nicht über Nacht, man muss manchmal lang darauf warten. Darum sind Nobelpreisträger sehr oft bereits „ältere Semester“. Es gilt, sich nicht ablenken zu lassen, sondern an seinem Forschungsprojekt dranzubleiben. Dass das im heutigen – über weite Strecken von Geldnöten und prekären Jobs gekennzeichneten – Wissenschaftsbetrieb nicht immer leicht ist, steht auf einem anderen Blatt. Man kann den Erfolg nicht vorausplanen, oft forscht man lange und intensiv – doch es passiert zunächst nichts. Erst Jahre später und dann oft völlig überraschend stellt sich der Erfolg ein. Auch Zeilinger war mehrmals nominiert und galt viele Jahre lang als Kandidat für die Auszeichnung, erst 2022 hat es schließlich geklappt. Er rät jungen Forschern. sich nicht darum zu kümmern, was andere sagen, sondern der eigenen Intuition zu vertrauen.
Fast alle Nobelpreisträger vermitteln den Eindruck, dass es ihnen einzig und allein um ihre Forschungsaufgabe geht. Sie „brennen“ für ihr Thema, die Arbeit steht im Mittelpunkt, nicht der Preis. Der berühmte Anruf aus Stockholm, mit dem die Wissenschaftler über die bevorstehende Ehrung informiert werden, ist daher so gut wie nie Zufall, sondern vielmehr das Ergebnis harter Arbeit.
Was die Zukunft bringt
Ob es den Nobelpreis in 100 Jahren noch geben wird, kann heute niemand sagen. Denkbar wäre etwa eine Verschiebung der Gewichte. Medizin wird wohl immer wichtig bleiben, bei Chemie und Physik könnte es künftig stärker um Umweltthemen und Nachhaltigkeit gehen. Welche Rolle die künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in der Wissenschaft spielen wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Dass der Friedensnobelpreis in den Vordergrund treten könnte, wäre aufgrund der weltpolitischen Lage keine Überraschung.
Ziemlich sicher ist, dass es künftig mehr weibliche Preisträgerinnen in Chemie, Physik und Medizin geben wird. Frauen erobern immer mehr die (berufliche) Welt, sie stellen unter den Studierenden in vielen Fächern bereits die Mehrheit und sind zunehmend auch in der Forschung tätig. Spitzenergebnisse von Forscherinnen, die den Nobelpreis verdienen, sind da nur noch eine Frage der Zeit.