Wohnungseigentumsgesetz: Der Novelle zweiter Teil

Wohnungseigentumsgesetz: Der Novelle zweiter Teil

Last Updated on 2022-07-18
Am 1. Juli treten weitere Neuerungen aus der WEG-Novelle 2022 in Kraft, etwa die erleichterte Mehrheitsfindung bei Beschlussfassungen und die Reparaturrücklage.

Die Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) 2022 fiel bekanntermaßen zweigeteilt aus: Am 1. Jänner traten bereits wesentliche Neuerungen in Kraft – so manche Änderung war aber mit einer Übergangsfrist ausgestattet worden und tritt nun mit 1. Juli in Kraft.

Zwei Drittel der abgegebenen Stimmen

Darunter zählt zum einen die erleichterte Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft. Da werden künftig jene Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich erst gar nicht an einer Abstimmung beteiligen, bei der Abstimmung nicht mehr (als Nein-Stimme) mitgezählt. Eine Mehrheit ist nun also rein unter jenen zu finden, die sich beteiligen.

Konkret gilt natürlich einerseits auch künftig eine (einfache) “Mehrheit aller Miteigentumsanteile”, um einen gültigen Beschluss herbeizuführen. Es geht nun aber auch mit einer Mehrheit nur der abgegebenen Stimmen – in diesem Fall muss es allerdings eine Zweidrittelmehrheit sein, und diese Mehrheit muss überdies zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreichen, so steht es im Gesetz. “Bei Stimmengleichheit kann jeder Wohnungseigentümer die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung des Gerichts beantragen.”

Informationspflicht vor Beschluss

Wer den Wohnungseigentümern einen Vorschlag für einen Beschluss zur Abstimmung unterbreitet, “hat darin über die gesetzlichen Regelungen über die Stimmenmehrheit zu informieren und darauf hinzuweisen, dass demnach ein auch mehrheitliches Unterbleiben der Stimmabgabe eine wirksame Beschlussfassung nicht jedenfalls verhindert”, auch das wurde im Gesetz neu geregelt. Gültig ist dies sowohl für einzelne Wohnungseigentümerinnen als auch für die Hausverwaltung. Wird über diese Konsequenzen nicht informiert, kann der Beschluss angefochten werden.

Hintergrund der Neuregelung ist, dass es bis dato oft unmöglich war, für Innovationen im Haus beziehungsweise alles, was über die “ordentliche Verwaltung” hinausgeht, die nötigen Mehrheiten zu finden, erläutert Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer im Buch “WEG-Novelle 2022”, erschienen in der Edition ÖVI Immobilienakademie. Die Durchführung beispielsweise von Klimaschutzmaßnahmen wie einer thermischen Sanierung oder der Dekarbonisierung des Heizsystems wird damit erleichtert.

Die neuen Beschlussfassungsregeln würden aber ohne Unterscheidung auch für Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung gelten, stellt Kothbauer klar. Und: Der Gesetzgeber habe hier auch nicht zwischen unterschiedlichen Arten der Beschlussfassung differenziert, die neuen Willensbildungsvorschriften “werden also sowohl auf Beschlussfassungen in der Eigentümerversammlung als auch auf Beschlussfassungen auf andere Weise, etwa auf schriftlichem Wege, anzuwenden sein”.

Reparaturrücklage von mindestens 90 Cent

Zweite große Neuerung, die nun mit 1. Juli in Kraft tritt: die neue Mindestrücklage in Höhe von 0,90 Euro je Quadratmeter Nutzfläche. Berechnet wird dies allerdings zunächst anhand der Gesamtnutzfläche eines Gebäudes, danach nach dem im Haus üblichen Aufteilungsschlüssel (das sind häufig die Nutzwerte) auf die einzelnen Eigentümer aufgeteilt.

Neue Vorschreibungen ihrer Hausverwaltung, die dies bereits berücksichtigen, haben viele Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer bereits bekommen. Die Mindestrücklage wird ab 1. Jänner 2024 und dann jedes zweite Jahr an den VPI angepasst.

Auch dies ist eine Maßnahme, die thermische Sanierungen in Wohnungseigentumsanlagen erleichtern helfen soll. Nach derzeitiger Rechtslage sind die Hausverwaltungen angehalten, Rücklagen in “angemessener” Höhe zu bilden, doch in der Praxis habe sich das oft als unzureichend herausgestellt, analysiert Kothbauer; “wenig Ansparwillen gibt es vor allem auch bei jenen Wohnungseigentümern, die ihre Objekte nicht selbst nutzen, sondern vermieten, weil die Rücklagenbelastung grundsätzlich nicht auf die Mieter überwälzt werden kann.”

Ausnahmen sind möglich

Deshalb nun also die gesetzliche Vorschreibung einer Mindestrücklage. Allerdings: In manchen Fällen kann diese auch geringer ausfallen als die 90 Cent je Quadratmeter. Nämlich dann, wenn ein Gesamtbetrag in Höhe des Mindestausmaßes nicht nötig ist, und zwar aus folgenden drei, im Gesetz genannten Gründen:

  • wegen des besonderen Ausmaßes der bereits vorhandenen Rücklage
  • wegen einer erst kurz zurückliegenden Neuerrichtung oder durchgreifenden Sanierung des Gebäudes
  • oder wenn im Fall einer Reihen- oder Einzelhausanlage die Wohnungseigentümer die Erhaltungspflicht nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG (allgemeine Teile der Liegenschaft, Behebung ernster Schäden in einem WE-Objekt) vertraglich übernommen haben.

“Leider hat es der Gesetzgeber verabsäumt, die Ausnahmetatbestände klarer zu fassen”, schreibt Kothbauer. Er erwartet deshalb “Auslegungsschwierigkeiten in einem nicht unerheblichen Ausmaß”. Insbesondere die Festlegung eines bestimmten Betrages, der das “besondere Ausmaß der bereits vorhandenen Rücklage” definiert hätte, wäre wünschenswert gewesen, so der Wohnrechtsexperte.

Unklare “Orientierungslinien”

Was die Ausnahme für eine “kurz zurückliegende Neuerrichtung oder Sanierung” betrifft, so heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass bei einem neuerrichteten Gebäude etwa in den ersten drei Jahren ab der Fertigstellung eine Rücklageneinhebung zur Gänze entbehrlich sein werde und dies auch für eine Sanierung gelte. Allerdings sei das nur eine “generelle Orientierungslinie”, heißt es dort auch.

Kothbauer führt hier aber ins Treffen, dass es nicht ratsam wäre, wenn eine Eigentümergemeinschaft mehrere Jahre lang überhaupt keine Rücklagen bildet. Denn dann würde die Gemeinschaft während dieses Zeitraums “über gar kein Vermögen verfügen”, womit schon “der Zahlungsrückstand eines einzigen Wohnungseigentümers die Zahlungsunfähigkeit der Eigentümergemeinschaft auslösen würde”. Sachgerechter sei es wohl, in solchen Fällen durchaus über einen etwas längeren Zeitraum von fünf oder sechs Jahren die Rücklage auf die Hälfte oder ein Drittel des vorgeschriebenen Ausmaßes zu kürzen. Auch eine Staffelung mit niedrig beginnenden und stetig ansteigenden Vorschreibungen nennt Kothbauer als denkbare Variante.

Bezüglich des dritten Ausnahmetatbestands, der Übernahme der Erhaltungspflichten durch die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer, stelle sich ebenfalls die Frage, in welchem Ausmaß diese geregelt sein müsse, um tatsächlich diese Ausnahme begründen zu können. “Die Übernahme von Erhaltungspflichten lediglich im Ausmaß der in der Praxis oftmals gehandhabten ‘Fenstervereinbarungen’ oder nur für sonstige Teilbereiche genügt wohl nicht.” Und: Auch in diesem Ausnahmefall dürfe nicht auf die Ansparung jeglicher Rücklage verzichtet werden, so der Experte. (Martin Putschögl, 28.6.2022)

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136855698/wohnungseigentumsgesetzder-novelle-zweiter-teil