Worüber die Finanzwelt spricht

Worüber die Finanzwelt spricht

Last Updated on 2021-10-20

Mag. Manfred Kainz

Im Schatten der Pandemie zeichnen sich einige Veränderungen am Kapitalmarkt ab. Die digitale Transformation hat sich stark, umfassend und dauerhaft beschleunigt. Die Themen Nachhaltigkeit und ESG haben ebenfalls massiv an Gewicht gewonnen. Die Zukunftsfragen zur Inflation und Zinspolitik rücken verstärkt in den Fokus. Wie sehen all das jene, die täglich in ihrer Unternehmenspraxis damit umgehen müssen? Das war die Frage an ein hochkarätiges Diskussionspanel bei der Jahreskonferenz 2021 des Cercle Investor Relations Austria (CIRA) am 13. Oktober im erfreulich vollen Saal des Hilton Vienna Park.

Harald Hagenauer, Leiter Investor Relations, Konzernrevision & Compliance der Österreichischen Post AG sowie CIRA-Vorsitzender, nannte gleich ein Dutzend Themen, die die Wirtschaftswelt beschäftigen: Engpässe in der Lieferkette, Arbeitskräftemangel, Wachstum bzw. Aufschwung, Staatsverschuldung, Digitalisierung, Inflation (mit steigenden Einkaufspreisen), Zinsentwicklung, ESG/Nachhaltigkeit/ökologischer Wandel, Kryptowährungen, Regulierung für Banken und Kapitalmarkt, Neue Reporting Standards sowie virtuelle versus physische Roadshows.

Es gibt unheimlich viel Regulierung, die wir umzusetzen haben und die die ganze Finanzwelt betrifft“, ergänzte Angelika Sommer-Hemetsberger, Vorstandsmitglied der Oesterreichischen Kontrollbank. Beim Thema Nachhaltigkeit gehe es nun um die Einbeziehung der Nachhaltigkeitsrisiken in die gesamte Risikobeurteilung. Investoren würden bei Emittenten danach fragen: „Es kommt viel Bewegung hinein von der Investorenseite.“

Environment, Social, Governance

Nico Baader, Vorstandsvorsitzender der Baader Bank AG, sparte nicht mit Kritik: „Am weitesten hinten bei ESG-Themen ist die Politik“ mit den Rahmenwerken und sie bediene sich der Banken. Für diese Kosten werde man aber von der Politik nicht entlohnt.

Laut Friedrich Mostböck, Leiter des Group Research der Erste Group Bank AG und ÖVFA-Präsident, sind heute bereits gut 35 Prozent aller Assets under Management ESG-orientiert, das sei „Mainstream geworden“. Auch wenn noch nicht alle Detailstandards definiert sind, bringe die „Begriffsdefinition“ ESG Unternehmen weiter und werde die Märkte (weiter) bewegen.

Für Reinhard Florey, CFO der OMV AG, seien die Banken bei der Nachhaltigkeit zwar Treiber, aber darauf angewiesen, dass die Unternehmen etwas tun: „Transformation ist die Herausforderung: neue Lösungen und Technologien finden.“ Aber es müsse respektiert werden, dass die Umsetzung von Innovationen und Skalierung in der Wertschöpfungskette auch Zeit brauche. Anreizsysteme sollten so platziert werden, dass in F&E investiert wird.

Inflationsgespenst

Was die allgemeine Wirtschaftsentwicklung betrifft, so ist Baader skeptisch: Die Inflation werde weiter steigen, die negative Realverzinsung tue nicht gut, es drohen Arbeitskämpfe um höhere Löhne: „Das Umfeld ist kein gutes.“ Sein „relativ düsteres Szenario“: Die EZB werde in ein Dilemma zwischen Zinserhöhung und hochverschuldeten Staaten kommen. Viel Geld werde aus dem Euro rausgehen, u.a. in Kryptowährungen.

Zwar stehen die „Zeichen auf Wachstum“, aber die Themen Staatsverschuldung und Inflation werden in anderen Ländern noch weitaus schwieriger werden als bei uns, erwartet Sommer-Hemetsberger.

Laut Mostböck hatte die Pandemie außerordentliche „Sondereffekte“ für das Wachstum gebracht – beispielsweise eingebrochene Rohstoffpreise. Eigentlich werde man erst im Frühling 2022, wenn die Sondereffekte draußen sind, feststellen können, wie die Core-Inflation aussieht.

Florey gibt wenig auf Prognosen, „wir rechnen in Szenarien“. Man müsse als Unternehmen für verschiedene Szenarien Antworten finden und sich darauf einstellen“.